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ITS World Congress Singapore

Von den besten Lernen

Zusammenfassung

 

Andreas Kronawitter, 25.10.2019

 

 

«Smart Mobility, Empowering Cities»

 

Kongressdaten:

-        14’500 Teilnehmer

-        6’400 “oversea”

-        90 Länder

-        850 Referenten

-        Starke weltweite Medienpräsenz, z.B. Volokopter-Flug

-        1. Executive-Session zu «Women in ITS”

 

 

1. Intelligent, connected, autonomous Vehicles

Dies war das am stärksten diskutierte und präsentierte Thema des Kongresses. Subthemen:

-        Ein Drittel der Beiträge zu Konnektivität

-        Usecases knapp ein Drittel

-        Fahrzeugautomatisierung knapp die Hälfte 

Die technischen Herausforderungen umfassen vor allem die Erkennung von «Intentionen» sowie, im Vergleich mit den letzten Jahren deutlich stärker, den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Die Einsätze von automatisierten Fahrzeugen nehmen deutlich zu, vor allem im öffentlichen Verkehr und für Mobilitätsdienste in spezifischen oder halboffenen Einsatzgebieten. Der Schwerpunkt verschiebt sich vom «Proof of Service» zum «Proof of Business». Über den Zeitpunkt, wann fahrerlose Fahrzeuge auf die öffentlichen Strassen kommen, herrscht keine Übereinstimmung. Einige Experten sehen einen Zeitraum von wenigen Jahren, andere sind aufgrund von Argumenten zur Strassensicherheit deutlich zurückhaltender. Die unterschiedliche Wahrnehmung von Unfällen, die von Maschinen verursacht werden, kann die Einführung massiv beeinflussen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass sich in speziellen Anwendungsfällen schon bald kommerzielle Einsätze ausbreiten werden. Die Machbarkeit von komplexen Fällen mit Level 4 erscheint realistisch.

 

2. Daten

Crowdsourcing und «big Data-Analytics» haben stark an Bedeutung gewonnen für die Optimierung von Betriebszentralen. Fortschritte in der künstlichen Intelligenz wurden gemacht beim Machine- und Deep- Learning sowie bei «Data Fusion». Daten aus dem Verkehrsmanagement der Strassen und des öffentlichen Verkehrs werden zusammengeführt, um Staus und Überlast zu reduzieren. Das bedingt ein gemeinsames Management von «Strassen und Schienen», um die erwünschte Wirkung erzielen zu können. Dazu braucht es eine neue Verkehrspolitik. 

 

Bereits mehrere Kontrollzentren setzen künstliche Intelligenz ein, um ihre Steuerungsaufgaben wahrzunehmen. Der Trend geht sehr schnell in Richtung «data driven decision making» als Ergänzung zur evidenzbasierten Policy-Entwicklung. Die «Raffinerien» - wenn Daten das neue Gold sind – funktionieren insgesamt aber noch nicht so gut; hier ist noch Entwicklungsaufwand nötig.

 

3. Sustainable Smart Cities

Smart Cities sind schon seit Jahren ein Thema auf allen Kongressen. Dieses Jahr hat sich der Schwerpunkt auf die Nachhaltigkeit der Smart Cities verschoben. Dabei stehen nicht die individuellen Bedürfnisse von Reisenden im Vordergrund, sondern die Verbesserung des Zusammenspiels der verschiedenen Departemente der Städte, um das Verkehrssystem in seiner Effizienz und Umweltverträglichkeit zu verbessern. Die Transportunternehmen stehen weltweit unter grossem Druck, die Echtzeitinformation für Pendler zu verbessern, schneller bei Störungen zu intervenieren – oder sie vorausschauend zu verhindern -, sowie intermodale Lösungen zu ermöglichen. Die Beiträge behandelten Werkzeuge für das Verkehrsmanagement, Verkehrskontrolle- und steuerung sowie die Integration von elektrischen Fahrzeugen in die Verkehrssysteme. Die Integration von verschiedenen, auch neuen Mobilitätsangeboten in «Mobility as a Service» wurde sehr ausführlich am Kongress diskutiert, insbesondere hinsichtlich eines darauf aufsetzenden, aktiven Verkehrsmanagements. Es gibt sehr viele lokale oder regionale Umsetzungen, grossskalige Anwendungen kommen jedoch nur sehr langsam voran. Die Herausforderungen bei diesen sind: Regulation, Wettbewerb, Kollaboration und Integration. Es ist kein Technologieproblem. 

 

4. Multimodaler Gütertransport

Bei multimodalem Frachttransport ist in der Regel eine Agentur für die «End-to-End» Abwicklung zuständig. Bei Personentransporten ist niemand in diesem Sinne zuständig. Die Diskussion um «Service Levels» für MaaS-Angebote gewinnt jedoch an Fahrt. Ein Aspekt dieser Service Levels ist die Nachhaltigkeit der kombinierten Transportangebote, die eine Optimierungsgrösse darstellen kann. Diese Entwicklung geht über den öffentlichen Verkehr hinaus und umfasst alle Verkehrsträger, insbesondere auch die «explodierenden» neuen First- und Lastmileangebote für Personen und Güter. Für beide Sektoren müssen wegen der geringen Kapazitäten dieser neuen Angebote die Beziehungen zwischen dem Verkehrsfluss, Echtzeitinformation und dem Management der beschränkten Platzressourcen sehr schnell entwickelt werden. 

 

5. Sicherheit von Fahrern und Verkehrsteilnehmern

Im Vergleich zum letzten Weltkongress in Kopenhagen gab es eine interessante Verschiebung beim Thema Sicherheit der Fahrer und der verletzlichen Verkehrsteilnehmer: im letzten Jahr lag der Fokus noch auf dem Erzielen der Sicherheitsgewinne durch automatisiertes Fahren: das wird dieses Jahr als gegeben vorausgesetzt und der Schwerpunkt liegt nicht auf den technischen, sondern auf den Verfahrensfragen des Testens in verschiedenen Umgebungen, um die «Vision Null» (Unfallopfer) zu erreichen. Dazu muss die Sicherheit im gesamten Mobilitätssystem betrachtet werden. Das Zusammenspiel von Sensoren, Daten und Dataanalyse, KI-Netzwerken, Service-Operations, Incident-Management, Management extremer Wetterereignisse und die Verteilung der nötigen Informationen ist nötig, um rechtzeitig und angemessen agieren zu können. Dazu werden alle Komponenten des Verkehrssystems, auch Fahrräder und Fussgänger, miteinander verbunden werden.

 

6. Policies, Standards and Normierung

«Social Credit» Systeme werden untersucht, um das Verhalten der Nutzer von Mobilitätssystemen zu beeinflussen (Mobility Pricing ist auch eine solches «Scoring-System»). Eine weitere Entwicklung ist das Crowd- und Co-funding resp. sourcing von Innovationen. Für die Entwicklung der Mobilitätssysteme braucht es vor allem aber auch ein Umdenken in der Entwicklung der Verkehrspolitik und Regulation. Dies umfasst die Entwicklung von «menschenzentrierten» Fahrzeugen, die Sicherheitstests, die Haftungs- und Sicherheitsfragen. Im Bereich der Rechtsdurchsetzung (law enforcement) erlauben die neuen Technologien ein zunehmend spezifische statt breiter und wenig effektiver Massnahmen. Nahtlose Mobilität wird die Städte sehr stark verändern; auch dies wird sich in der Regulation wiederspiegeln müssen, was wiederum eine Öffnung und teilweise Abkehr des Denkens von den Erfahrungen der Vergangenheit bedingt. Robotaxis, bedarfsgesteuerte Shuttles, optimierte Signalisierung (Ampeln, virtuelle und physische Verkehrszeigen, Signale) und vorausschauende Instandhaltung werden die Verkehrsabläufe gegenüber heute verbessern – oder massiv verschlechtern, wenn sie falsch gemacht werden. Mit der richtigen Regulation und «Belohnung» können Städte shared, automatic Shuttles anstelle von zu vielen, zu kleinen Fahrzeugen fördern und damit ihre Effizienz-, Nachhaltigkeits- und Sicherheitsziele erreichen, gleichzeitig auch die Zugänglichkeit, «affordability» (finanzielle Tragbarkeit für die Nutzer) und Komfort für die Nutzerinnen und Nutzer dem Mobilität verbessern. 

 

7. Mobility Pricing und Travel Demand Management

Preise beeinflussen das Verhalten – je nach Land – in einem gewissen Rahmen. Nachfrageorientierte Preise werden mit den besseren Verkehrsdaten einfacher und können schnell an Veränderungen angepasst werden. Einige Sessions behandelten die Frage, wie die Infrastrukturen ausgestaltet werden müssen, um «free float charging» und schnellere Transaktionen zu ermöglichen. In Singapur werden die Strassengebühren gegenwärtig alle 2 Monate gemäss den Messungen des «ERP» genannten Strassenverkehrsmanagement angepasst. Als «Messinstrumente» dienen die Taxis, die ihre Fahrdaten an das Operations Control Center der Landverkehrsbehörder über einen Bordcomputer liefern. Das System kann Abweichungen vom erwünschten Geschwindigkeitsband nach oben wie unten unterschiedlich bepreisen. Dies führt zu einem gleichmässigeren Verkehrsfluss und damit zu einer Kapazitätserhöhung. Statt punkt- oder distanzbasierter Systeme werden auch zeitbasierte Preissysteme untersucht, um Parken und Staus beeinflussen zu können. 

 

8. Parking

«Parking as a demand management measure» - ein Thema, dass sowohl die Behörden als auch die Industrie in den kommenden Jahren zunehmend beschäftigen wird. Ein Subthema ist die «Incentivierung» der Autofahrerinnen und Autofahrer, um Angebot und Nachfrage besser auszugleichen. 

 

9. Cybersecurity

Mit der raschen Entwicklung der Technik und der Vernetzung der Aktoren gewinnt die ICT-Security im Gleichschritt an Bedeutung. Ein Weg ist «Security by design» - das bei der Konferenz allerdings in geringerem Masse besprochen wurde. Die Entwicklung der Bedrohung wird heute durch Menschen beobachtet und behandelt. Es stellt sich die Frage, wie künftig Methoden der künstlichen Intelligenz für die Detektion und Abwehr von Bedrohungen eingesetzt werden können – also letztlich «Maschinen gegen Maschinen kämpfen». Da Mobilität das «Backbone» der Wirtschaft wie der Gesellschaft ist, können sich Länder und Regionen nicht leisten, angegriffen zu werden. 

 

10. Micromobility und künftige Entwickliung

EScooters waren ein prominentes Thema in diversen Sessions sowie in den Gesprächen am Rand. Der Kampf um einen Platz im öffentlichen Raum läuft auf Hochtouren. Hier kann man vom Mindset der Grossstädte und insbesondere von Singapur lernen, wo alles auf die knappe Ressource «Raum» ausgerichtet ist. Das führt bei den Vertretern vor allem im asiatischen Raum zu einer massiven Verstärkung des öffentlichen Verkehrs im urbanen Raum zu Ungunsten des Privatverkehrs – in Singapur ist die Anzahl Nummernschilder für Privatwagen und Taxis auf 700'000 – bei 5.6 Mio Einwohnern – begrenzt. Die Kosten für das «Statussymbol» Auto sind hoch und werden hoch bleiben. Die Vorreiter, darunter Singapur, aber auch Hamburg, verfügen über integrierte Planungen für die Entwicklung der Gesellschaft und Wirtschaft mit der Mobilität. Am wichtigsten aber ist der Einbezug der Bevölkerung in die Planung und Entwicklung und die ständige Anpassung auf der Basis der gemachten Erfahrungen. 

 

Die Förderung junger Talente und der Einbezug der Frauen sowie die Schaffung von Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen und Startups sind Elemente, Ziele wie die Decarbonisieren und die anderen oben genannten zu erreichen. ITS umfasst heute Land- – Strasse und Schiene – aber auch Luft- und Wassertransporte sowie die Schnittstellen zwischen ihnen. Wir sind weitergekommen im Vergleich zum letzten Jahr auf dem Weg zu einer leistbaren, zugänglichen, zero emission, zero fatality und global nahtlosen Mobilitätswelt. Das Ziel ist längst nicht erreicht, und wird nur durch internationale Zusammenarbeit erreichbar sein – lokale oder regionale Entwicklungen reichen nicht aus. Als eine Massnahme haben die drei ITS-Verbände von Europa, Americas und Asia/Pacific einen Vertrag unterzeichnet, um MaaS global zu entwickeln. In Europa werden wir in der DACH-Region künftig verstärkt zusammenarbeiten, um die grenzüberschreitende Entwicklung von Beginn weg «mitzudenken» und mit weiteren europäischen und weltweiten Partnern Mobilitätsthemen zu entwickeln.