Zusammenfassung ITS Weltkongress 2018

Andreas Kronawitter, kronawitter@its-ch.ch

Mehr als 10'000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 96 Ländern, davon 2400 Delegierte und 850 Vortragende in 17 parallelen Streams mit mehr als 250 Sessions, 200 Journalisten von 36 Medienpartnern, über 400 Aussteller, 25 nationale ITS-Organisation, 900 Besucher der 17 verschiedenen technischen Einrichtungen - das ist ein Teil der statistischen Zusammenfassung des 25. ITS-Weltkongress in Kopenhagen. Beim ersten Weltkongress 1994 war das Internet als "www" gerade in den Anfängen, heute ist die Vernetzung der Geräte und Menschen das zentrale Thema geworden. 

 

Bezeichnenderweise treten als Diamantpartner ein Fahrzeughersteller und eine Telekommunikationsausrüster auf, die die Konvergenz von Fahrzeug- und Telekommunikationsindustrie versinnbildlichen. Mit dem Joint Venture here wird deutlich, dass ohne Zusammenarbeit auch von konkurrierenden Unternehmen nichts mehr ausgerichtet werden kann. saphe ist ein Service zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und damit ein Symbol für die negativen Seiten der Mobilität. 

 

Die Reduktion oder Eliminierung der negativen Aspekte der Mobilität war bereits in der Eröffnungsrede von Violeta Bulc der zentrale Punkt. Die Erhöhung der Sicherheit und die Reduktion der Umweltbelastungen durch Technologie, neuen Angeboten und Verhaltensänderungen, so diese akzeptiert werden, waren das tatsächlich das Schlüsselthema des Kongresses und durchzogen in der ein oder anderen Form als  Schlüsselthemen viele der Sessions. 

 

 

Das System zur Erhöhung der Strassensicherheit in Skandinavien wirbt mit der Funktion als Radarfallen-Warnsystem.
Das System zur Erhöhung der Strassensicherheit in Skandinavien wirbt mit der Funktion als Radarfallen-Warnsystem.

Die Begriffe "Mobility as a Service" (MaaS) und "Automatisierung der Mobilität" waren allgegenwärtig. Neben den Chancen, die zum Beispiel in der Erschliessung des ländlichen Raums ("rural MaaS") liegen, wurden auch die Risiken diskutiert, die vielfach in der Akzeptanz durch die Nutzer liegen können. So wurde kritisch hinterfragt, ob MaaS eine Lösung für die Probleme der Mobilität sein kann. Auch die Frage der richtigen Governance tauchte wiederholt auf: private Unternehmen und freier Markt, oder doch eine Steuerung? Aber welche? MaaS und die Automatisierung lösen die Grenzen zwischen dem individuellen und organisierten Verkehr zusehends auf. Das zeigt sich unter anderem in den Engagements der Automobilindustrie in der Entwicklung von "on demand Mobility" wie mit MOIA oder von Plattformen wie Moovel. Das MOIA-Fahrzeug wurde mit möglichen Nutzern zusammen entwickelt mit der Fragestellung, wie das Fahrzeug aussehen müsste, so dass die Nutzer ihr privates Auto stehen lassen. 

 

 

Zwei Navya-Shuttles warten auf dem Demonstrationsgelände auf den Start des Kongresses.
Zwei Navya-Shuttles warten auf dem Demonstrationsgelände auf den Start des Kongresses.

Die bekannten selbstfahrenden Strassenfahrzeuge wie Navya und Olli konnten auf dem Demonstrationsgelände begutachtet werden, allerdings sind sie längst keine Publikumsmagnete mehr. Eine sehr schnelle Übernahme der Strasse durch automatische oder autonome Fahrzeuge erwarten nur wenige Teilnehmer. Die Bewertung, welches Szenario sich am Ende durchsetzen wird, ging naturgemäss weit auseinander: Vertreter der Automobilindustrie betonten das Bedürfnis der Nutzer nach Individualität und Flexibilität, und damit für viele, eher kleine Fahrzeuge, während Verkehrsplaner und Verantwortliche von Städten auf wenige und stark ausgelastete Fahrzeuge setzen. Diese Weichenstellung wird von den Rahmenbedingungen abhängen, die Staaten oder supranationale Organisationen wie die EU setzen. Man darf annahmen, dass das Lobbying der Interessenvertreter intensiv geführt wird. 

 

Eine der extremeren Varianten von Strassenlampen im DOLL-Living Lab. Neben der Leuchtfunktion ist sie eine 5G-Basisstation, eine Messstation für die Luftqualität und mehr sowie eine Informationstafel.
Eine der extremeren Varianten von Strassenlampen im DOLL-Living Lab. Neben der Leuchtfunktion ist sie eine 5G-Basisstation, eine Messstation für die Luftqualität und mehr sowie eine Informationstafel.

Kopenhagen ist ein der fünf am schnellsten wachsende Grossstädte in Europa und der Wachstumsmotor Dänemarks. Die Stadt und die umliegende Region positionieren sich als Modellregion für "smart green solutions" und kann dabei auf eine eindrückliches Programm und Instrumentarium verweisen. Eines davon sind die "Living Labs" wie das BLOX living street lab und das DOLL (Danish Outdoor Lighting Lab), die bereits seit mehreren Jahren in Betrieb sind und sich gemäss dem wachsenden Bedarf ständig weiterentwickeln. Das Experimentieren mit neuen Lösungsansätzen ist dabei nicht nur Sache der Unternehmen; auch die Stadt ist Teil dieses Ökosystems und kann Entwicklungen anstossen, aber auch darin teilnehmen. Für die Entwicklung der Mobilität in der Schweiz wäre ein oder sogar mehrere solcher offenen Labs ein grosser Gewinn.

 

 

Ankündigung des Interesses der Schweizer Kandidatur für den ITS-Weltkongress 2024 und der strategischen Partnerschaft mit ITS Mobility (Veranstalter ITS-Weltkongress in Hamburg 2021).
Ankündigung des Interesses der Schweizer Kandidatur für den ITS-Weltkongress 2024 und der strategischen Partnerschaft mit ITS Mobility (Veranstalter ITS-Weltkongress in Hamburg 2021).

Ein Höhepunkt aus Schweizer Sicht war die Ankündigung, für die Austragung übernächsten europäischen Weltkongresses im Jahr 2024 kandidieren zu wollen. Die Ankündigung wurde wohlwollend aufgenommen. Die Schweiz hat noch keinen ITS-Weltkongress durchgeführt und gilt als interessanter Showcase.

 

Ob wir einen Kandidatur eingeben können und in der Beurteilung reüssieren können, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten entscheiden: finden sich die nötigen Partner für die finanzielle und personelle Unterstützung? Erklärt sich eine Schweizer Stadt bereit, als Gastgeberin aufzutreten? Können wir einen überzeugenden "Claim" entwickeln?

 

Die Schweiz hätte viel zu bieten und kann sich und ihre Services und Produkte an einem Weltkongress hervorragend präsentieren. Wenn sie will.